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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat für heimliche Online-Durchsuchungen privater Computer enge Grenzen gesetzt. Diese dürfen nur bei Gefahr für Leib und Leben oder der Existenz des Staates durchgeführt werden. Zudem bedarf es einer vorherigen richterlichen Anordnung.

Mit dem Urteil erklärte der Erste Senat unter Vorsitz von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier die Regelung von Online-Durchsuchungen im Verfassungsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig. Das heimliche Ausspähen verletze das Persönlichkeitsrecht, begründete das Gericht seine Entscheidung. Das seit Januar 2007 geltende Gesetz war bislang das erste seiner Art. Dagegen hatte unter anderem der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) geklagt.

Gerichtspräsident Papier betonte, das Urteil weise über den konkreten Fall hinaus. Das Gericht habe ein „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ entwickelt. Weil persönliche Computer und die Nutzung des Internets für den Einzelnen zwar viele „Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung“, aber durch das Speichern und Auswerten sensibler Daten auch „neue Persönlichkeitsgefährdungen“ mit sich brächten, bestehe hier ein besonderes Schutzbedürfnis. Bisherige Grundrechte (Art. 10 GG Fernmeldegeheimnis; Art. 13 GG Unverletzlichkeit der Wohnung) deckten dies nach Ansicht des Gerichts nur unzureichend ab.

»Wichtigste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Volkszählungsurteil von 1983«

Peter Schaar

Das neue Grundrecht zieht Gesetzgeber und Behörden wie Bundeskriminalamt und dem Geheimdienst enge Grenzen. Demnach ist ein Ausspähen nur angemessen, „wenn bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen“. Dazu zählen etwa eine Bedrohung für Menschenleben oder den Bestand des Staates. Immer müsse ein Richter die Durchsuchung anordnen, zudem sollten intime Daten geschützt oder sofort gelöscht werden.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Mittwoch, dass das Urteil bei der geplanten Novellierung des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) berücksichtigt werde. Jedoch sei heimlichen Computer-Durchsuchungen als Ermittlungsmaßnahme von den höchsten deutschen Richtern „die grundsätzliche verfassungsrechtliche Zulässigkeit“ erteilt worden. Deswegen rechne er damit, dass „wir auf dieser Grundlage sehr zügig einen Regierungsentwurf erstellen werden“. Laut Schäuble sollen Online-Durchsuchungen nur in wenigen, aber sehr gewichtigen Fällen zum Einsatz kommen.

Davon geht auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, aus. Die Messlatte sei vom Gericht so hoch gelegt worden, „dass es nur sehr wenige Online-Durchsuchungen geben“ könne. Aus Sicht des Datenschutzes sei das Urteil die „wichtigste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Volkszählungsurteil von 1983“. Das neue Grundrecht flankiere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

bpb.de, 28. Februar 2008