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In Bremen regiert der Rotstift. Das weiß niemand besser als Karoline Linnert, Bremens Finanzsenatorin und Grüne-Spitzenkandidatin. Im news.de-Interview erklärt sie den Sparkurs, schimpft über eine «verbohrte» FDP und freut sich über grüne Erfolge.


Frau Linnert, das kleinste Bundesland sitzt auf einem Schuldenberg von etwa 17 Milliarden Euro. Macht es eigentlich Spaß, jeden Morgen aufzustehen und als Finanzministerin am Schreibtisch Zahlen zu wälzen?

Karoline Linnert: Die Finanzsituation in Bremen hat sich über Jahrzehnte so aufgebaut und wir versuchen da jetzt herauszukommen. Ich wollte vor vier Jahren gerne Finanzsenatorin werden. Ich habe hier im Finanzressort loyale, kreative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die etwas ändern wollen. Und Spaß? Es geht, glaube ich, eher um Verantwortung. Meine Arbeit macht mir Freude, nicht jeden Tag gleich und nicht alle Sachen gleichermaßen. Aber wir machen hier viele gute Sachen. Wir bauen die Verwaltung um, wir verändern Strukturen, und wenn es einen Spaßfaktor gibt, dann ist es das. Die Schulden selber sind nicht lustig.

Wie wollen Sie die Finanzmisere des Landes Bremen in Zukunft bekämpfen?

Linnert: Sparen. Ausgaben senken. Wir lassen nachhaltige Ressourcenverantwortung walten. Wir sparen Personal ein, wir sparen bei den Investitionen, wir sparen im Zuwendungsbereich. Wir werben überall dafür, dass gesehen wird, dass sich Bremen in einer nicht selbstverschuldeten Haushaltslage befindet. Das hat das Verfassungsgericht uns auch attestiert. Wir setzen natürlich auch auf steigende Einnahmen. Wir denken uns da keine Zahlen aus, wir übernehmen die Ergebnisse der Steuerschätzung. Und wir sagen auch: Wenn die Bundesregierung auf die Idee kommen sollte, die Steuern zu senken, dann sind wir hier platt. Wir strengen uns an, aber es liegt nicht allein in unserer Hand.

Wie steht es um das landeseigene Vermögen und Firmenbeteiligungen? Wird da etwas veräußert werden, um Geld in die Kassen zu spielen?

Linnert: Wenn es nach mir geht nicht. Die Große Koalition, die hier ja zwölf Jahre an der Regierung war, hat an Vermögen veräußert, was nicht niet- und nagelfest war. Meiner Meinung nach auch sträflich und viel zu viel. Wie keine andere Kommune und kein anderes Bundesland hat Bremen Vermögen veräußert und damit auch Gestaltungsgmöglichkeiten verloren. Wir haben also so gut wie nichts mehr. Zu dem Wenigen, was wir noch haben, zählt die Gewoba, eine große Wohnungsbaugesellschaft, die eine eminent wichtige Rolle für bezahlbaren Wohnraum und die Stadtgestaltung in Bremen spielt, und unser großes Hafenumschlags- und Logistikunternehmen BLG. Diese beiden werthaltigen Unternehmen werden wir behalten. Es ist auch unwirtschaftlich sie zu verkaufen. Das Geld, das Bremen dafür ein Mal bekommen würde, steht in keinem sinnvollem Verhältnis zu dem, was Bremen Jahr für Jahr an Gewinnabführung bekommt.

Die Opposition sieht das etwas anders. CDU und FDP haben ja immer wieder mal gefordert, dass Bremen durch Verkäufe Schuldenabbau betreiben soll.

Linnert: Ach, die… die FDP ist da völlig schmerzfrei, die sind ideologisch total verbohrt. Da wird nicht gesehen, dass Bremen sich damit fiskalisch schaden würde. Die FDP ist immer noch auf dem Trip Hauptsache privat. Bremen erzielt Gewinne mit den Unternehmen. Wer sie verkauft, erzielt einen kurzfristigen Effekt, mittel- und langfristig rechnet sich das nicht. So was mache ich nicht mit.

In einer Umfrage lagen die Grünen kürzlich in der Wählergunst erstmals vor der CDU. So um die 24 Prozent. Damit könnte die Grünen ihr Ergebnis von 2007 mit 16,4 Prozent noch mal deutlich steigern. Worauf führen Sie das zurück?

Linnert: Wenn wir über 20 Prozent erreichen, dann freue ich mich total. In diesen Zeiten, wo ich oft nein sagen muss. Wir sind ja objektiv in Bremen in einer schwierigen Lage. In Baden-Württemberg wünschten sich die Leute einen Regierungswechsel, viele jedenfalls. Wenn wir in unserer Regierungsarbeit bestätigt und bei über 20 Prozent landen würden, dann würde mich das sehr freuen.

Der Aufwärtstrend der Grünen ist enorm. Wie viel davon ist der aktuellen Situation seit Fukushima geschuldet?

Linnert: Die aktuelle Situation spielt eine Rolle. Aber wenn die Grünen hier schlecht wären, dann würde das auch nicht helfen. Es unterstützt uns natürlich, und ich finde das auch gerecht. Jahrelang wurden die Grünen wegen ihrer Anti-AKW-Haltung als technologiefeindlich beschimpft. Es hieß, die Grünen würden Deutschland in die Steinzeit zurückversetzen. Das habe ich immer wieder gehört. Wenn jetzt viele finden, dass sie uns wählen wollen und uns Vertrauen schenken, weil wir bei diesem Thema durchgehalten haben, also das finde ich dann auch gerecht.

Sie sind ein Gründungsmitglied der Grünen in Bremen. Wie sehen Sie die Grünen damals und heute, und wie ihr Verhältnis zur Gesellschaft?

Linnert: Wir sind eine erfolgreiche Partei, nicht nur wegen der Wählerstimmen, sondern auch weil wir die Gesellschaft verändert haben. Dass Deutschland technologisch so gut dasteht, hat ganz viel mit dem Wirken der Grünen zu tun. Bei den Umwelttechnologien sind wir in vielen Bereichen Marktführer. Dass es heute in Deutschland ein größeres Bewusstsein für Ernährungsfragen gibt, für Umweltfragen oder wie wir unsere Moblilität organisieren wollen – auch das hängt mit den Grünen zusammen. Das sind alles grüne Themen. Vor 30 Jahren waren das Außenseiterpositionen. Damals wurden die Grünen als Spinner verlacht. Die Entwicklung seitdem ist schon toll.

Der Wahlkampf bringt Politiker den Bürgern näher. Welche politischen Themen brennen den Bremern besonders auf den Nägeln?

Linnert: Überraschend viele Bremerinnen und Bremer interessieren sich für das Thema Finanzen. Darüber freue ich mich sehr. Darauf werde ich ganz oft angesprochen. Was wollt ihr denn jetzt machen, wo spart ihr denn, was kommt auf mich zu? Und der Wahlkampf ist ungeheuer freundlich, ich höre ganz viel Nettes.

War das in den vergangenen Wahlkämpfen anders?

Linnert: Letztes Mal war es auch so, fast so gut. Da gab es viele, die auf einen Regierungswechsel gehofft haben. Zwölf Jahre Große Koalition, das war den Leuten genug. Jetzt ist es mehr Bestätigung für unsere Arbeit. Ich kann mich natürlich auch an ganz andere Wahlkämpfe erinnern. 1999 zum Beispiel war furchtbar. Da haben uns die Leute zum Teil über die Straße hinweg beschimpft. Wegen Kosovo.